Sonntag, 28. November 2010

Verfügbarkeit und Wert

Der Wert von Familien-Filmen

Auf dem Dachboden in einer banalen Migros-Tüte schlummerte die letzten Dreissig Jahre das gesamte Film Material unserer Familie: 50 8 und Super8 Filme, 1100m Familiengeschichte, aufgenommen zwischen 1935 und 1979.

Der Inhalt dieser Filme war geheimnisvoll und unzugänglich.
Bei dem Versuch, die Filme über das originale Filmgerät aus den 60er Jahren abzuspielen,
riss das spröde Material alle Nase lang - und hat sich somit selber zerstört.

Eine Online-Recherche, 800€ - und 1 Monat später sind die Filme digitalisiert.
Eigentlich ein Moment, um aufzuatmen: Das Film-Material ist gerettet.
Aus der Migros-Tüte ist eine 500GB Festplatte geworden.

Doch was macht die Neue Verfügbarkeit bloß mit dem Mysterium der Filme!
Was früher stundenlanges Aufbauen von Filmgerät, Verdunkeln des Raumes und das Einladen von Gästen zum "zum Filme kucken" erfordert hat, ist jetzt eine i-Movie Datei - eine Datei von tausenden auf meiner Festplatte.

Bei der wochenendlichen Skype-Konferenz mit meiner kleinen Schwester lass ich mich hinreissen, Ihr die Sicht auf meinen Rechner und also auch auf die Familienfilme zuzulassen - wir sausen in wenigen Minuten durch 44 Jahre Familiengeschichte, fast könnte ich den zu youtube stellen oder diesem Blog anhängen.

Hat die Digitalisierung die Filme wertlos gemacht? Oder muss der Wert von digitalem Material einfach neu definiert werden (--> Digitale Disziplin)?


Der Wert von Kinder-Filmen

Ich denke kaum etwas prägt uns so, wie die Filme, die wir in unserer Kindheit sehen:
Die ersten Filme, die man als Kind kucken darf (Barbapapa oder Vicky und die starken Männer) und vor allem die, die man als Kind nicht kucken darf und dennoch heimlich kuckt (Vincent Van Gogh beim vögeln und sich das Ohr abschneiden oder das Psychodrama "Die Katze" oder Gruselfilme wie "Friedhof der Kuscheltiere")

Sie bleiben uns ein leben lang in Erinnerung und hinterlassen einen tieferen Eindruck wie alle danach kommenden 3-D Mega-Kino-Produktionen, wie dieser, wie hieß er noch mal..?

(-->Psychotherapie mit Hilfe von Kinderfilmen?)

Das Geheimnisvolle dieser Kindheits-Filme war bis vor wenigen Jahren, dass sie nicht verfügbar waren - außer, man hätte lange nach ihnen recherchiert und tatsächlich im physischen Raum nach ihnen gesucht - was alleine schon ein Zeichen dafür gewesen wäre, wie wichtig es uns ist, sie wieder zu sehen.

Was macht deren plötzliche Verfügbarkeit mit uns? Und mit den Filmen selbst?
Ich kucke grad "Wikie und die starken Männer", ein wahrer Blick in meine Kinder-Seele, währenddem ich dies hier schreibe - ist das nicht schon Antwort genug?


Der Wert von Musik

Das Spiel lässt sich fast beliebig fortsetzen. Alles, was früher schwer zu finden oder wiederzufinden war, ist plötzlich verfügbar - schnell und meist noch umsonst.
Wie stark wird das Ding selbst dadurch entwertet?

Ich finde die Musik, die meinen ersten Liebeskummer begleitet hat ebenso wie eine Original-Aufzeichnung meines ersten Open Air Konzertes. 22 Jahre lang trug ich die Erinnerung an den stockbesoffenen Joe Cocker beim Konzert in San Francisco mit mir rum; plötzlich kann jeder bei youtube diesen Moment nachkucken.

Zugegebenerweise kann ich nun endlich wenigstens eine Idee davon bekommen, wie das "Joshua Tree" Konzert von U2 in Oakland war, zu dem mir damals das Geld gefehlt hat.

(--> das Internet und unser Nachholbedarf)






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